Talente-Tausch zum Nulltarif 

 

 Illertisser Börse hat sich etabliert - Mitglieder auch in Württemberg gesucht

In Illertissen hat sich ein Tauschring erfolgreich etabliert: Getauscht werden Dienstleistungen und Können — zum Nulltarif. Die Börse will sich jetzt auch über die Iller hinweg ins Württembergische ausdehnen. 

von Beate Reuter-Manz

 Dietenheim/lllertissen.    Fenster putzen? Bitte nicht! Zwei Stunden im Garten buddeln? Aber ja doch, gern! Wer besonders ausgeprägte Präferenzen in der Hausarbeit hat oder gewisse Arbeiten aus körperlichen Gründen nicht mehr zu erledigen imstande ist, der könnte beim Tauschring Illertissen gut aufgehoben sein. Dort bieten die Mitglieder in ihrer Freizeit Dienstleistungen an und nehmen andere in Anspruch.

„Der Tauschring ist ein geldloses Zeitverrechnungssystem", sagt Bärbel Lang. Die Apothekerin hat die Börse im Mai federführend aus der Traufe gehoben. Die Idee dazu kam freilich von Edeltraud Kraus. Bei ihrer täglichen Arbeit bei der Sozialstation Iller-Weihung muss die Altenpflegerin immer wieder feststellen, dass Talente von Senioren mitunter schändlich brach liegen. In ihrem Bekanntenkreis erzählte sie von Strickkünstlerinnen, für die Socken noch die leichteste Übung sind. Andererseits seien viele nicht mehr mobil und könnten Begleitung beim Einkauf oder bei Spaziergängen gut gebrauchen. „Wenn man verschiedene Talente untereinander tauschen könnte, wäre allen gedient", überlegte Kraus. Die Talentbörse für Illertissen war geboren.

Im Allgäu, wo solche Vereine und Vereinigungen weit verbreitet sind, holten sich die „Macher" Anregungen. Zu Lang und Kraus gesellten sich recht schnell die ehemalige Sekretärin Elisabeth Dilger und Karin Butz, früher Fachlehrerin am Kolleg der Schulbrüder. Beide unterstützen die Börse als Beisitzer. Das Vorstandsteam wird komplettiert durch Zenta Kunzmann, die als Bankangestellte in Dietenheim arbeitet und in der Tauschbörse für die geldwerten Geschäfte zuständig ist. Denn, auch wenn Talente getauscht werden, ohne dass ein einziger Cent fließt, so geht es in der Verwaltung doch nicht ganz ohne den schnöden Mammon ab. Um Unkosten zu decken, wird von Mitgliedern ein kleiner Verwaltungsobolus verlangt.

 

Jedes Mitglied erhält zum Start ein Tauschring-Scheckheft und ein Startguthaben von zehn Talenten. Die Tauschvorgänge werden als Soll und Haben verbucht, wobei Stunde gegen Stunde zu jeweils zehn Talenten verrechnet wird. „Damit stellen wir sicher, dass jede Arbeit gleich viel wert ist", erläutert Kunzmann. 

 

Sachleistungen, etwa die Zutaten für einen in Auftrag gegebenen Kuchen oder Farbe für eine zu •streichende Wand, übernimmt der Auftraggeber. »Tauschgeschäfte haben nichts mit  Schwarzarbeit zu tun, denn es fließt kein Geld" , sagt Kunzmann. Zu vergleichen noch am ehesten mit Nachbarschaftshilfe. In jedem Fall bringe der Tauschring Menschen zusammen.

 

Über eine Marktzeitung und die Homepage werden die Mitglieder ständig von den aktuellen Angeboten Oder Gesuchen informiert. Die jüngste Marktzeitung listet beispielsweise 20 Gesuche auf, darunter eine Installation für eine Wasserhahnzufuhr im Keller, eine Computerberatung oder Hilfe beim Spanisch lernen. Mehr als 50 Angebote stehen dem gegenüber. Haare schneiden, Gassi-Service, Dekorationsdienste oder Möbelmontage, um nur einige zu nennen. Als großen Vorteil wertet Karin Butz, dass bei diesem System keim direkter Tauschpartner nötig ist. „Je ausgeglichener das Geben und Nehmen ist, desto besser funktioniert der Tauschring", heißt es in einem informativen Faltblatt. Das Vorstandsteam führt und kontrolliert nicht nur die Zeitkonten und pflegt die Angebots- und Nachfrageliste, sondern leistet auch Telefondienst und bereitet die monatlichen Tauschringtreffen vor. „Uns sind persönliche Kontakte wichtig" , sagt Karin Butz.

Manchmal, wenn potenzielle Neumitglieder sich im Unklaren darüber sind, was sie denn  besonders gut können, hilft die „Ideenliste zum Finden verborgener Talente". Auf vier Din-A-4-Seiten finden sich Tipps in 17 Rubriken: von Auto und Fahrrad, über Büro und Elektronik, bis hin zu Handwerk und Hobby. Lang erinnert sich an einen Fall: Eine Dame war von der Idee begeistert, doch Mitglied zu werden traute sie sich zunächst nicht: „Ich kann doch nichts". Dass ihre Leidenschaft für das Hemden-Bügeln von anderen einmal so geschätzt würde, hätte die Seniorin nicht zu träumen gewagt. Mittlerweile gehören dem Tauschring um die 30 Einzelmitglieder und Familien an, das jüngste ist 17, das älteste Mitglied 80 Jahre. „Neuzugänge auch aus württembergischen Iller-Gemeinden sind uns willkommen", sagt Lang.

 

Die Tauschring-Philosophie

 

Wenn Herr Müller bei Frau Schwarz eine 

Stunde Rasen gemäht hat, wird diese Zeit

auf seinem Zeitkonto gut geschrieben und

das Konto bei Frau Schwarz mit einer 

Stunde belastet. Mit seinem Plus kann 

Herr Müller nun andere Dienste in Anspruch
nehmen, zum Beispiel einen Kuchen für eine 
Familienfeier oder den Service des

Hemden-Bügelns

info Der Tauschring Illertissen trifft sich regelmäßig jeden zweiten Mittwoch im Monat um 19.30 Uhr im Katholischen Pfarrheim St. Martin, das nächste Mal am Mittwoch, 11. August.
Ansprechpartner sind

Bärbel Lang, Telefon (07303)3320,

Zenta Kunzmann (07303)7507 und         

Edeltraud Kraus (07303)7531.