Der grüne Daumen gilt als "Talent"

Rückblick: Der Tauschring floriert seit fünf Jahren und rechnet in einer besonderen Währung

VON REGINA LANGHANS

 

Illertissen Die Geschäfte erfreuen sich seit fünf Jahren guter Nachfrage, die Umsätze erfolgen bargeldlos und ohne Kreditkarte, in „Talenten". Das Erfolgsmodell nennt sich Tauschring Illertissen. „Sehr begehrt als Arbeitseinsatz sind etwa Aufpassdienste aufs Haus oder gemeinsame Putz- und Entrümpelungsaktionen" erzählen Edeltraud Kraus und Barbara Lang. Die Idee, für gegenseitige Hilfeleistungen, die oft gar nicht oder nur schwer gegen Geld zu bekommen sind, eine Börse einzurichten, hatte die Illertisserin Edeltraud Kraus vor fünf Jahren in die Tat umgesetzt.

„Mit Erfolg", wie die Vorsitzende heute sagen kann. Beim Tauschring-Treffen am heutigen Mittwoch ab 19.30 Uhr im Jugendheim von St. Martin in Illertissen werden die 47 Mitglieder, teils stehen ganze Familien dahinter, ihre Erfolgsbilanz feiern, Interessierten ihr Wirtschaftsmodell vorstellen, aber auch selbst wieder neue Geschäfte vereinbaren.

 

Das funktioniert so: Pro geleisteter Arbeitsstunde werden zehn Talente notiert. „Begünstigte" und

, Arbeitende" können so über eine Art Konto Talente gutschreiben oder per Kredit in Anspruch nehmen. Zum Geschäftsmodell gehört die Mitgliedschaft, die mit einer Aufnahmegebühr von zehn Euro erfolgt, welche zugleich ein Startguthaben von zehn Talenten darstellt. Jedes weitere Jahr sind 20 Talente für die Verwaltung zu entrichten. Teilnehmern wird eine Haftpflichtversicherung empfohlen. Ziel aller Tauschaktionen ist ein ausgeglichenes Konto. Gelingt das nicht, müssen die Talente in Euro bezahlt werden, umgekehrt können angesammelte Talente an Mitglieder gespendet werden. „Das Schuldenlimit liegt bei 300 Talenten" , sagen Kraus und Lang, „dann laden wir zum Gespräch. " Austreten geht immer, eintreten kann jeder, der Fähigkeiten und Kommunikationsfreude mitbringt.

 

Aus einem achtköpfigen Team übernehmen je zwei die Gestaltung eines Treffens, das ohne Unterbrechung jeden zweiten Mittwoch um 19.30 Uhr beginnt. „Die meisten Teilnehmer sind über 45 Jahre alt", so Kraus. Pro Abend treffen sich durchschnittlich zwölf Leute. „Eher mehr", findet Lang. Denn auch der soziale Aspekt sei sehr hoch. Wer darin seinen Schwerpunkt sieht und nichts tauschen möchte, entrichtet eine jährliche Gebühr von zehn Talenten. „Nöte und Sorgen tauschen"

nennt es Lang. Laut Kraus würden auch Jüngere den Tauschring gerne in Anspruch nehmen,  hätten aber mangels Zeit wenig zu bieten. Die Vorsitzende glaubt, dass Neubürger auch profitieren können. Die Gruppe ist offen für alle und getauscht wird, was die Talente hergeben.

 

Angebot und Nachfrage sind aus einer ständig aktualisierten Marktzeitung zu erfahren, die für Nichtmitglieder im Internet einsehbar ist, allerdings ohne Namen. Mitglieder ohne Internet erhalten die Zeitung als Papierausdruck. Einen großen Platz nimmt darin die Haus und  Gartenarbeit ein. Gesucht werden Betreuer für Mensch und Tier, Nachhilfe in Lernfächern oder beim Umgang mit Computer und Internet. Hobbybäckerinnen bieten ihre Dienste an, es geht aber auch um das Ausleihen von Geräten und andere tatkräftige Unterstützung, wie sie etwa Kerstin Timmermann in Anspruch nimmt: „Ich brauche jemanden mit Hänger, der mir Grüngut

wegfährt. " Das übernimmt Gilbert Kammerlander, der damit Talente verdient, um sich eine Haus- und Gartenaufsicht zu leisten, wenn er und seine Frau verreisen. Immer wieder war Brigitte Kammerlander auf der Suche nach passenden Helfern und hat dafür junge Leute aus der Nachbarschaft gegen ein Taschengeld gewonnen. Dass sich sie und Kerstin Timmermann nun oft direkt helfen, ist Zufall. Inzwischen Freundinnen geworden, sagen sie: „Erst tauschten wir Gartenerfahrungen aus und jetzt auch Vertrauen, das Tauschen geht immer weiter. " Sie haben ihren Beitritt nicht bereut. „Aber es dauerte eine Weile bis zum Entschluss", so Timmermann. „lch fürchtete, nicht genug Talente bieten zu können. "

Zu jedem Tauschringtreffen können Neue dazustoßen, weshalb sich Edeltraud Kraus und ihr Team feste Abläufe zurechtgelegt haben mit kurzem Vorstellen aller Anwesen den und Impulsen zur Eröffnung der Gespräche. Bald fallen Sätze wie „ach, der kann so etwas", oder „da würde ich mithelfen". Auch aus der Runde selbst gibt es Anstöße zum Austausch, etwa Erklärungen zur

Bedienung eines neuen Gerätes oder passend zur Jahreszeit wichtige Arbeiten in Haus und Garten.