Nachbarschaftshilfe: In Illertissen werden Talente getauscht


Unter dem Dach der katholischen Pfarreiengemeinschaft hat sich in Illertissen eine besondere Nachbarschaftshilfe etabliert
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19. September 2019, 17:54 Uhr Illertissen
Ein Artikel von Manuela Rapp

Bärbel Casel (von links), Hanna Hermann, Renate Müller, Edeltraut Kraus und Franziska Maile mit Tochter Anna beim jüngsten Treffen des Illertisser Tauschrings. © Foto: Manuela Rapp

Eine Stunde = zehn Talente. Eine einfache Gleichung. Talente – das ist die Währung beim Illertisser Tauschring. „Es ist die Zeit, die zählt“, sagt Edeltraut Kraus. So ist eine Stunde Unkrautjäten genauso viel wert wie 60 Minuten Hilfe am Computer. „Wir wollen keine Abwertung von Arbeit.“

Edeltraut Kraus gehört dem neunköpfigen Leitungsteam an. Gerade dekoriert sie liebevoll die Tische im Pfarrheim St. Martin für die monatliche Zusammenkunft der Gruppe. „Die Treffen sind ganz frei“, sagt sie. „Kann sein, dass binnen kurzem 20 Leute da sind oder nur fünf.“ Dies sei immer eine Überraschung. Was sie festgestellt hat: „Diejenigen, die Kontakt suchen, kommen eher regelmäßig.“ Das Tauschen zum einen, Kontakte knüpfen zum anderen – das sind Edeltraut Kraus zufolge die wichtigsten Funktionen des Tauschrings.

Ring hat 50 Mitglieder

Etwa 50 Mitglieder hat der Tauschring, nicht nur Einzelpersonen kommen, auch Familien. Die Mehrzahl sind Frauen. „Eine Mitgliedschaft kostet 20 Talente im Jahr“, sagt Bärbel Casel, die mittlerweile ebenso wie Franziska Maile im Pfarrheim angekommen ist. Damit werde die Arbeit des Leitungsteams honoriert. „Das Team soll nicht alles umsonst machen“, erklärt Bärbel Casel. Franziska Maile ergänzt: „Jemand muss die Entscheidungen treffen. Wir haben keinen Vorstand. Wer mitarbeiten möchte, macht mit.“

Edeltraut Kraus hat den Tauschring im Jahr 2010 gegründet. Ihr Beruf habe sie dazu inspiriert, sagt die Altenpflegerin. Denn: „Senioren haben oft Talente, die nicht mehr zum Einsatz kommen.“ Sie habe daher überlegt, wie diese Potenziale genutzt werden könnten. „Ich habe Leute gesucht und gefragt.“ Resultat: Nach neun Monaten wurde die Gruppe aus der Taufe gehoben. Den Raum im Pfarrheim kann die „erweiterte Nachbarschaftshilfe“, so die juristische Bezeichnung, kostenlos nutzen. Bärbel Casel: „Wir sind eine Gruppe der katholischen Pfarreiengemeinschaft.“

Versteckte Talente

Das Prinzip ist einfach: Jeder kann mit jeden tauschen. „Ich sammle Pluspunkte, wenn ich anbiete, Minuspunkte, wenn mir jemand etwas macht“, erklärt Bärbel Casel. Abgerechnet werde auf einem Kontoblatt. Eine eigene, im Internet veröffentlichte Zeitung erleichtert das Finden von Angeboten und Gesuchen, offeriert gleichzeitig einen Flohmarkt und Verleih. Aus Datenschutzgründen stehen hinter den jeweiligen Einträgen lediglich Nummern. Ausschließlich Mitglieder des Tauschrings erfahren, für wen diese Nummern stehen.

Besser zu zweit

Welche Talente gefragt sind? „Hilfe im Garten, Fahrten zum Recyclinghof oder zur Müllverbrennung, Fensterputzen, Möbelaufbau oder Vorhänge ab- und aufhängen. Das sind unsere Dauerbrenner“, schildert Edeltraut Kraus. Dabei werde der Tauschring schon auch mal als eine Art Kontaktbörse genutzt. Denn Arbeiten, zu denen man alleine nicht so recht Lust habe, gingen leichter von der Hand und machten mehr Spaß, wenn man sie zu zweit in Angriff nehme. Zum Beispiel das Fensterputzen. Ein Überangebot herrsche bei Kochen und Backen, sagt Franziska Maile. Dafür sind andere Talente eher Mangelware: „Wir könnten mehr Handwerker brauchen.“

Im Oktober geht es um Herbstdeko     

 

Treffen Jeden zweiten Mittwoch im Monat kommt der Illertisser Tauschring um 19.30 Uhr im Pfarrheim St. Martin zusammen. Die Treffen stehen normalerweise unter einem kleinen Thema. Das nächste Mal, am 9. Oktober, geht es um „Einfache Herbstdeko“. Infos auch unter
www.tauschring-illertissen.de.